Ungdomshuset wird abgerissen

Das Ungdomshuset wird gerade abgerissen. Kopenhagen steht vielleicht eine heiße Nacht bevor.

Was passiert wenn eine rechtsextreme religiöse Sekte das Gelände auf dem ein linkes Jugendzentrum steht kauft, das Gebäude dann abreißt, um ein Gemeindezentrum zu errichten, die Lokalpolitik dagegen nichts unternimmt, sondern die Regierung eher gegen das Jugendzentrum hetzt und das ganze in Kopenhagen stattfindet? Die Strassen brennen? Genau! Seit letzten Donnerstag ist Kopenhagen Kampfzone, denn an diesem Tag wurde das linke Jugendzentrum von Spezialeinheiten der Polizei geräumt. Christian Hartmann sprach mit Wugge (sprich: Wough), vom progressiven Medienportal modkraft.dk. Als erstes gibt Wugge einen kurzen Überblick, was am Wochenende nach der Räumung in Kopenhagen los war.

Radio Z: Letzten Donnerstag wurde das Ungdomshuset von Polizei-Spezialkräften geräumt. Kannst Du uns einen kurzen Überblick geben, was in Kopenhagen am Wochende auf der Strasse passiert ist?

Wugge: Sehr früh am morgen tauchte die Polizei vor dem Undomshuset auf und räumte das Gebäude. Zu diesem Zeitpunkt schliefen etwa 30 Menschen dort. Der Tag an dem das passierte, war so lange es hell war, sehr ruhig. Die Stimmung war allerdings sehr gespannt in Nörrebro, dem Viertel, in dem das Haus steht. In der Nacht kam es dann zu Auseinandersetzungen in der Innenstadt. Es gab zunächst eine Demonstration mit mehreren Tausend TeilnehmerInnen, die sich konfrontativ entwickelte. Die Strassenkämpfe in der Innenstadt verlagerten sich dann nach Nörrebro und auch in Christianshaven, was in der Nähe des Freistaats Christiania liegt, hat's gescheppert. In der nächsten Nacht gab es erneut Auseinandersetzungen. AktivistInnen errichteten brennende Barrikaden in den Strassen und attackierten die Polizei mit Steinen.

Radio Z: Wie ist die Situation heute? Sind noch Aktionen geplant oder gerade am laufen?

Wugge: Diesen Morgen wird das Haus abgerissen. Das hat die Stimmung hier im Viertel sehr angespannt. Bis jetzt ist nichts passiert, aber ich glaube dass es heute Nacht wieder zu Strassenkämpfen kommen wird. Es wird hier am späteren Abend eine Demonstration stattfinden. Was danach passiert, keine Ahnung.

Radio Z: Ich habe gelesen, dass in den letzten Tagen über 800 Menschen von der Polizei inhaftiert wurden. Wie viele sind jetzt noch in Haft und wie ist deren Situation?

Wugge: Ich habe leider keine exakten Zahlen. Ich glaube aber es sind etwa 500-600 Menschen noch inhaftiert und etwa 100-200 Hundert wurden wohl inzwischen wieder freigelassen.

Heute wurden bis jetzt nur 6 Menschen festgenommen.

Radio Z: Wie ist im Moment die Situation auf der Strasse? Ist die Polizei massiv präsent oder zeigt sie sich nicht so offen in der Öffentlichkeit?

Wugge: Sie sind sehr massiv präsent um das Haus herum, welches im Moment abgerissen wird. Lastwagen, die den durch den Abriss produzierten Schutt transportieren, werden mit Polizeischutz aus der Stadt geleitet. Manchmal fahren Polizeiautos mit hoher Geschwindigkeit durch die Strassen, aber man sieht sie nicht die ganze Zeit. Ich glaube aber, dass sie gut vorbereitet sind, aktiv zu werden, wenn sie das für nötig halten.

Radio Z: Wie wird denn in den dänischen Medien über die Ereignisse in Kopenhagen berichtet? Was ist der Schwerpunkt der Berichterstattung ? Wird über die politischen Hintergründe berichtet oder nur von "Ausschreitungen" geredet?

Wugge: Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten Zeitungen konzentrieren sich auf die Strassenkämpfe, weil diese sehr heftig waren in den letzten fünf Tagen. Heute war ein ruhiger Tag ohne Krawalle und mit friedlichen Demonstrationen. Deswegen wird auch darüber diskutiert, ob Politiker aktiv werden könnten, um ein neues Haus zu finden. Aber der Hauptfokus liegt auf den Strassenkämpfen.

Radio Z: Was ist die Meinung der Kopenhagener Bevölkerung zu den Protesten? Gibt es Sympathisanten?

Wugge: Natürlich gibt es in der Bevölkerung unterschiedliche Meinungen, ob das Ungdomshuset ein gutes Projekt war. Auch wie es weitergehen könnte wird diskutiert. Es gibt aber keinen erkennbaren Riss zwischen den Kräften, die für das Ungdomshuset sind. Manche kämpfen militant andere friedlich. Natürlich sind in der Bevölkerung viele abgeschreckt von den gewaltsamen Auseinandersetzungen und haben Angst auf die Strasse zu gehen. Es ist eine schwierige Situation für alle. In der ganzen Stadt gibt es aber viel Sympathie für das Ungdomshuset im Allgemeinen. Bevor das Haus geräumt wurde war die Mehrheit in Kopenhagen für das Ungdomshuset, ich kann aber nicht sagen, wie es jetzt ist.

Radio Z: Welche politischen Kräfte unterstützen die Proteste ausser der radikalen Linken?

Wugge: Die ganze politische Linke, inklusive Teilen der Sozialdemokratie unterstützen das Haus, aber nur die radikale Linke befürwortet den militanten Kampf auf der Strasse. Es gibt allerdings eine vielzahl von Initiativen, die eine politische Lösung anstreben von allen Teilen der nicht-radikalen Linken.

Radio Z: Wie wird es deiner Ansicht nach weitegehen. Werden Teile der Bewegung ein Angebot für ein neues Haus akzeptieren

Wugge: Ich weiß nicht. Es ist eine sehr unübersichtliche Situation im Augenblick. So etwas wie eine Führung gibt es ja nicht. Es ist eine sehr spontane Bewegung. Ich denke alle Teile der Bewegung werden offen dafür sein, falls es ein Angebot für ein neues Haus gibt.

Radio Z: Es gab Solidaritätsaktionen in ganz Europa. Wie wurden die in Dänemark wahrgenommen. Haben die Medien darüber berichtet, haben die Aktivisten das mitbekommen?

Wugge: Gut, ich arbeite in einem Medium namens modkraft, da gab es eine Menge Berichte über die Soridaritätsaktionen - übrigens nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Die Mainstreammedien haben aber dem keine grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Die grossen Medien interessiert ist mehr das, was die bedeutende Auslandszeitungen über die Situation hier verbreiten. Aber innerhalb der Linken gibt es grosses Interesse für die Solidarität. Aber Beispielsweise hatte unser Medium bei ursprünglich 2000 täglichen Besuchern der Homepage eine Steigerung auf zuletzt 37 000 Besuchern zu verzeichnen.

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